Felix – vom Pflegeplatz zur Vollpension

Hallo, liebe Katzenfreunde! 

Es war im April des Jahres 2001, als Felix ins Katzenhaus einzog. Kurz zuvor war er "unter Polizeischutz" und mit tierärztlicher Begleitung aus der Wohnung eines Menschen geholt worden, der sich als ungeeignet zum Halten von Tieren erwiesen hatte.

Zuvor lebte er ca. zehn Jahre in einem anderen Haushalt und landete dann eines Tages bei eben jenem Mitmenschen.

Als ich an einem Montag im April zum Katzenhaus kam und Kater Felix erblickte, war ich recht angetan von ihm: Ein schwarz-weißer Kater – nichts Besonderes, aber seinen schwarzen Kopf schmückten unglaublich starke Schnurrhaare, von denen die jeweils oberen drei schwungvoll nach oben gebogen waren. Dazu die schönen Kulleraugen und die mächtigen Tatzen. Ich war mir sicher, dass irgendwo auf dieser Welt ein Löwe mit Katzenpfoten herumlaufen mußte...

Dieser Kater saß nun also in einer der Boxen und beobachtete genau, was diesseits der Gittertüre vor sich ging. Irgendwie schien ihm das, was er sah – nämlich drei Menschen – nicht so recht zu behagen, und er begann, wie ein Raubtier im Käfig umherzulaufen.

Der eigentlich zur Beruhigung gesprochene Satz: "Ach, Felix, geh doch in deinen Kratzbaum, dann hast du Ruhe!" bewirkte das genaue Gegenteil. Das war der Moment, in dem ich ahnte, dass ich Felix nicht zum letzten Mal gesehen haben würde: Er ließ sich eben nicht beruhigen sondern schlug unter kräftigem Fauchen gegen die Gittertüre, schaute uns giftig an und drehte sich dann demonstrativ in Richtung Kratzbaum weg. Man konnte wirklich spüren, was er uns damit sagen wollte, nämlich: "Ich gehe dahin, WO ich will und WANN ich will, blöder Zweibeiner!"

Wenige Tage später bahnte sich im Katzenhaus ein Platzproblem an, denn einige Neuzugänge mussten untergebracht werden. Zu dem Zeitpunkt war die zweite Etage des Katzenhauses noch nicht fertiggestellt.

Nach einer Bedenkzeit bot ich Eveline an, Kater Felix kurzfristig als Pflegekatze aufzunehmen.

Es war ja nun nicht so, dass Felix der erste Vierbeiner in unserem Haushalt gewesen wäre: Mickey, 1 ½ Jahre, Wohnungskatze und Joey, vier Jahre, "Schönwetterkatze", hatten es sich schon lange vorher bei uns bequem gemacht.

Mit anderen Worten: Die beiden bekamen einen neuen Weggefährten.

Natürlich konnte niemand vorher sagen, ob das wohl gut gehen würde, aber einen Versuch war es allemal wert!

Eveline und Christel kamen also an einem Abend im April 2001 mit Felix im Gepäck zu uns nach Hause. Der spannende Moment der Käfigöffnung nahte. Spannend deswegen, weil Felix im Katzenhaus alles andere als kooperativ war, egal, wer sich seinem Käfig näherte.

Als sich die Käfigtüre für ihn öffnete, lief er gleich heraus und inspizierte zunächst einmal die gesamte Wohnung, und zwar so, als wäre er nur mal eben weg gewesen.

Die Anwesenheit zweier weiterer Katzen ließ ihn ebenso kalt wie die von vier Zweibeinern.

Während der nächsten vierzehn Tage hatte er sich einen Hängeschrank in der Küche als Liegeplatz ausgesucht und fühlte sich dort sehr wohl. Er kam nur zum Fressen und Entsorgen herunter, ansonsten schlief er oder putzte sich ausgiebig. Man konnte den Eindruck gewinnen, dass die letzten Tage, vielleicht Wochen sehr anstrengend für ihn gewesen sein mussten.

Als er sich dann öfter mal am Boden blicken ließ, freuten wir uns natürlich darüber und wollten ihn als Anerkennung streicheln. Genau dazu hatte er aber grundsätzlich keine Lust und machte uns das ganz unmissverständlich klar: Jede Annäherung mit der Hand wurde umgehend mit kräftigem Fauchen und Tatzenhieben abgewehrt. Er war dabei so aufgeregt, dass er richtiggehend schnaufte!

Ein Anfassen aus dem Stehen heraus, also mit heruntergebeugtem Oberkörper, quittierte er mit einem wahrlichen Sprung ins Gesicht mit anschließendem Biß in den Oberarm...

Wir ließen ihn dann in Ruhe und nutzten die Zeit zur eingehenden Beobachtung.

Dabei stellten wir u.a. fest, dass er Probleme beim Fressen hatte. Nachdem er aus den Händen des wenig tierfreundlichen Menschen befreit wurde, hatte die obligatorische tierärztliche Untersuchung ergeben, dass die Mundhygiene wohl nicht die beste war und einen operativen Eingriff erforderte. Von diesem erholte sich der "alte Mann" dann auch nur langsam. In den ersten Wochen fraß er nur mäßig und auch nur mit einer Hälfte seines Gebisses.

Nach und nach gewöhnte er sich bei uns ein, allerdings schien Mickey der neue Weggefährte nicht ganz so geheuer zu sein, was er uns nachdrücklich klarzumachen verstand: Er machte ab und zu seine kleinen Geschäfte in die Badewanne (da kann prima das gelbe Rinnsal bis zu Abfluß verfolgen...), in die Dusche oder auch mal in eigens von ihm zurechtgelegte Handtücher – all das immer dann, wenn wir auch gerade im Bad waren...

Auch Felix fand mitunter Spaß am "wilden Urinieren" und suchte sich dafür ganz besondere Plätze aus: Auf dem noch nicht ausgebauten Speicher lagen einige Meter Dämmwolle zur baldigen Verarbeitung "bereit". Auch die Verkleidung der Schrägen ließ sich prima aus dem Stand benetzen...

Wir dachten schon daran, Felix wieder zum Katzenhaus zu bringen, denn irgendwie schienen sich die beiden gänzlich unwohl miteinander zu fühlen.

Wochen später war alles vergessen.

Felix wurde sehr anhänglich und menschbezogen und ließ sogar zu, dass Mickey mit ihm das Menschenbett teilte.

Man könnte sagen, dass Felix nun der Chef der Dreierbande ist. Zweifellos aber wurde er der größte Schmuser von ihnen! Er fauchte und schlug nicht mehr, schnurrte schon beim Ansprechen, suchte stets unsere Nähe und verteilte liebend gerne Küsschen – besonders dann, wenn man nichtsahnend am Computer saß...

Im August gelang es ihm dann eines Tages, durch eine kurze Unaufmerksamkeit seitens uns Dosenöffnern, in die große, weite Welt zu entfliehen. Zunächst recht kurz, denn es erfolgte ein beherzter Zugriff auf der Straße, den er anfangs erduldete. Als er jedoch bemerkte, dass man ihn wieder zurück zum Haus trug, überlegte er es sich plötzlich anders und sprang nach einem kräftigen Biß ins Fingergelenk vom vermeintlich schützenden Arm. Sein Herrchen ließ er mit tiefen, blutenden Kratzwunden an beiden Armen und eben einer Fingerbisswunde geschockt auf der Straße zurück...

Wohl wissend, dass Felix ein Kater und kein Hund ist, unterblieb eine mit Sicherheit erfolglos verlaufende, von "Felix"-Rufen geprägte Suche durch die Siedlung, fest vertrauend auf den Orientierungssinn des Eigenbrötlers.

Am nächsten Morgen war das Elsterngeschrei aus dem Garten nicht zu überhören. Es klang nach einer gefährlichen Situation!

Ich schaute aus dem Badezimmerfenster – und traute meinen Augen nicht: Mitten auf der Wiese lag eine Katze. Besser noch: Das Tier hörte auf den Zuruf "Felix!", erhob sich und ging schnellen Schrittes der Stimme entgegen. Und dann erkannte ich den Grund des Elsterngeschreies: Der Herr hatte eine von ihnen gefangen und es sich auf ihr bequem gemacht...

Nachdem Schock und Katze verschwunden waren, flog sie weg.

Felix war wieder da und verlangte erst mal "was Ordentliches zu essen".

Mich verwunderte allerdings, dass eine "Wohnungskatze" (das war der damalige Wissensstand der KHO) wie selbstverständlich einen derart großen und wehrhaften Vogel fängt, noch dazu in einer völlig neuen Umgebung.

Felix muß also schon Freigänger gewesen sein, bei welchem seiner Dosenöffner auch immer.

Im September passierte dann etwas Unvorhersehbares: Felix wollte mal wieder im Hausflur spazieren gehen und Herrchen in den Keller begleiten. Es war am späten Abend, nach 23 Uhr. Beim Öffnen der Wohnungstüre war es auch schon geschehen: Felix stand Nase an Nase einem anderen Kater gegenüber, der bei allen hier in der Siedlung lebenden Katern wahre Aggressionen auslöst. Die Reaktion fiel dann entsprechend heftig aus: Mit lautem Geschrei sprangen die beiden sich an, verbissen sich ineinander und purzelten die steile Holztreppe 20 Stufen in den Flur hinunter. Unten angelangt ging die Keilerei weiter, und zwar so extrem, dass nur noch eine gezielte Ladung Wasser sie trennen konnte.

Während der andere Kater das Haus verließ, saß Felix einfach nur da und starrte mit weit geöffneten Pupillen ins Leere. Er reagierte weder auf Ansprache noch auf Berührungen.

Minuten später setzte er sich Richtung Treppe in Bewegung. Dabei humpelte er stark. Es schien, als wolle er nirgends hingehen und gleichzeitig doch lieber in seiner Kuschelecke liegen und zur Ruhe kommen.

Irgendwann hatte er es dann geschafft, legte sich auf seinen Lieblingsplatz – und schlief ein.

Über Nacht stellte sich keine Verbesserung seiner Situation ein. Ich zog Eveline zu Rate. Sie wusste gleich, dass Felix möglichst bald zum Tierarzt musste. Ich versuchte also, ihn in einen Transportkorb zu legen, doch er verließ beim Anblick desselben seinen Platz, verkroch sich hinter dem Bett und legte sich auf die Seite.

Wie sollte ich es anstellen, ihn in den Korb zu bekommen? Ich hatte schlichtweg Angst. Angst, ihm beim Aufheben weh zu tun und auch Angst vor seiner Reaktion.

Das war nichts für mich.

Ich holte Eveline zu Hause ab. Mit einem Griff packte sie ihn im Nacken und legte ihn behutsam in den Transportkorb – Felix muckte sich nicht viel, schon gar nicht so, wie ich es erwartete. "Der hat Untertemperatur! Der muß sofort zum Arzt!"

Ach du lieber Himmel! Mir wurde klar, dass ich den Treppensturz und seine Folgen völlig unterschätzt hatte und sauste gleich los.

Abends ergab dann ein Gespräch mit dem Arzt, dass das Röntgenbild keine Anzeichen für eine schwere Verletzung ergab (Bruch o.ä.) – Glück gehabt!

Die weiteren Diagnosen zogen mir dann jedoch fast die Schuhe aus: Auf Felix ist geschossen worden!

"Wie jetzt, geschossen??? Der war doch gar nicht mehr draußen", entfuhr es mir.

An der Wirbelsäule befand sich unverkennbar die Kugel eines Luftgewehrbeschusses! Soviel also zur "Wohnungskatze" und zum Elsternfangen... Diese Schussverletzung war jedoch äußerlich nicht erkennbar und zudem schon älteren Datums.

Des weiteren litt er unter blutigem Durchfall und Blut im Urin. Einen schweren Schock hatte er zudem auch (daher auch die gesunkene Körpertemperatur).

Zur weiteren Beobachtung und Entnahme einer Urinprobe wurde er über Nacht auf der Station behalten.

Deren Ergebnis ließ mich am nächsten Tag auch nicht aufatmen: Die Leber- und Nierenwerte waren katastrophal!!!

"Das nu auch noch!", dachte ich mir.

Was einem dann so durch den Kopf geht, kann sicherlich jeder Mensch nachvollziehen, der ein liebgewonnenes Haustier hält...

Insgesamt blieb Felix vier Tage in stationärer Behandlung.

Zuhause angekommen war er dann zum Glück wieder ganz der alte: Sehr anhänglich und auf die Einhaltung der eigens von ihm erstellten Hausordnung bedacht...

Seither bekommt er regelmäßig homöopathische Medikamente zur Unterstützung seiner Nierenfunktion, denn die abschließenden Werte waren nicht wirklich die gesündesten.

Bestimmt hat er nun alle seine von Gott gegebenen Leben verbraucht – bis auf das, was er jetzt noch führen darf...

Wir tun alles dafür, das dieses letzte Leben sein längstes wird!

Vielen Dank an die betreuenden Tierärzte und Eveline Müller, die rund um die Uhr mit Rat und Tat zur Seite standen!

Miau!